
In Situationen der erlebten Ohnmacht, sogar bei Todesfällen, kann der Tanz ein Mittel sein, Schmerz, Wut und Verzweiflung auszudrücken. Gleichzeitig bietet er einen festen Rahmen, der die Beteiligten trägt und verhindert, dass sie sich gänzlich in ihrer Trauer verlieren. Im Tanz zeigen sich unterschiedliche Positionen zum Tod und zum Leben, er bietet die Möglichkeit, sich dem Unausweichlichen zu stellen. In der Bewegung flieht der Mensch vor der Zeit, versucht sie zu greifen, zu überwinden, fliessen zu lassen, aber auch zu verändern. Meine Arbeiten sind der Versuch, sowohl das Gegenwärtige als auch den Wechsel der Empfindungen, die Tanz und Tänzer auslösen, festzuhalten. Wie schon bei meinen Fotoarbeiten zu Pina Bauschs Produktion Rough Cut am Haus der Berliner Festspiele 2009 bringe ich die Linienführung, den Zeichencharakter und die Intensität zur Erscheinung, der den Tanz zum gefeierten Ausdruck werden lässt. Das skulpturale Statement verbindet sich im Zusammenklang mit den Verwischungen der energetisch expressiven Bewegung zu einer Feier des Augenblicks. Die Fotoarbeiten verdichten sich in der Bewegung zu einem skulpturalen Statement.
Die Fotoserie entstand in Begleitung der Probenaufnahmen zu Orpheus, das Eröffnungsstück von Hans Werner Henze mit neuer Inszenierung der Spielzeit des Staatstheaters Kassels während der Documenta 13 im September 2012. Bewegungsspuren und Übergänge werden am Motiv des bewegten Körpers gezeigt, visuell verstärkt durch Mehrfachbelichtungen. 2013 wurde unter dem Thema Tanz&Tod, Historische und aktuelle Choreografien zum Unausweichlichen meine mehrteilige Serie der Orfeo Motivik im Sepukralmuseum in Kassel ausgestellt. Staatstheater Kassel: Choreografie und Inszenierung: Johannes Wieland; Musikalische Leitung: Patrick Ringborg; Aufführende: Saatsorchester und Staatsballett Kassel, Musik: Hans Werner Henze, Libretto: Edward Bond, Uraufführung 15.9.2012, Kuratoren zur Ausstellung Tanz&Tod: Gerold Eppler und Prof. Dr. Sörries